Entwurmen mit Pflanzen

Ein Test in den USA

Ob pflanzliche Entwurmungsmittel genauso gut entwurmen wie chemische Mittel? Crissy Orr wollte es wissen. Sie entwurmte eine Hälfte ihrer Herde mit einem pflanzlichen Entwurmungsmittel, die andere mit Ivermectin. Dann untersuchte sie Kotproben jeder einzelnen Ziege und stellte fest, dass mit dem pflanzlichen Mittel zwei Wurmgruppen völlig verschwanden: Fadenwürmer (Strongyloide) und der Bandwurm (Monezia). Nach der chemischen Entwurmung fanden sich davon immerhin noch 29% resp. 21%. Ebenfalls stärker als mit Ivermectin reduzierte das pflanzliche Mittel die Kokzidien und Lungenwürmer. Der genaue Bericht findet sich hier und ist ein Tip von Sabine Martini-Hanßke.

Das Mittel, das in diesem Versuch verwendet wurde, gab es in den USA bei Hoegger Supply. Es wird pro Ziege je 1 Teelöffel in deren Getreide gemischt und besteht aus: Wermut, Enzianwurzel, Fenchel, Flohsamen (Wegerich-Gewächs), Quassia (Bitterholzbaum).
Dieses Mittel wird durch keine Wartezeit für Milch und Fleisch eingeschränkt, aber nur deshalb, weil es nicht als Medikament gilt. Doch auch bei pflanzlichen Mitteln ist Vorsicht geboten: Quassia (Bitterholzbaum) wird oft in Pflanzenschutzmitteln verwendet.

Traditionelles Wissen

Juliette de Bairacli Levy schrieb 1952 in ihrem grundlegenden Werk „The Complete Herbal Handbook for Farm and Stable“ auf, womit früher entwurmt wurde (bevor die Pharmaindustrie dieses Feld übernahm):
Wurmverseuchte Standweiden wurden stark gekalkt, mit Knoblauch bepflanzt oder mit Senf eingesät und dann untergepflügt.
Pic-Bois in Frankreich kocxhen grossen Mengen Knoblauch und davon spitzen sie jeder Ziege einige cl ins Maul.
Auch Juliette de Bairacli Levy nennt Knoblauch als Entwurmer an erster Stelle, weil damit auch die Lungen erreicht werden (Verwurmung macht sich auch durch Husten bemerkbar), weiter nennt sie Bärlauch, Eberraute, Rettich, Rüben, Senfsamen und Senfpflanzen, sowie Kürbis-, Melonen- und Traubenkerne. Auch Kürbiskern, Fenchel, Kümmel, Schwarzkümmel, Cumin, Kurkuma (Gelbwurz), Knoblauch (4 Gr/kg Körpergewicht), Fieberklee, Sanddorn, Schnittlauch, Geissblatt, Hopfen, Meerrettich, Brunnenkresse, Brennnessel, Senf. Davon immer nur paar Blättchen pro Tag

In „The Complete Herbal Handbook for Farm and Stable“ findet sich auch eine Dosierung für Wermut: 1 Handvoll Wermut in einem knappen Liter Wasser überbrühen und mit einem EL Honig süssen. Davon zweimal täglich 1 Verschlusskappe voll („One handful herb brewed in 1 1/2 pints water + 1 Tbs. honey, give one capful twice daily“). Alle Entwurmer sollten nach einem kurzen Fasten verabreicht werden

Andere Quellen nennen als „Herbal wormers“:
Wermut (englisch Wormwood), Schwarznuss-Hülse, Knoblauch, Süsskraut (Stevia), Kürbiskerne, Beifuss, Thymian, Ysop, Fenchel, Rainfarn, Pfefferminze, Klette – das klingt ja wie ein schöner Wegrand! Nur dass Wegränder heute auch nicht mehr das sind, was sie mal waren – eine Apotheke!

Wermut, Wallnuss, Wurmfarn

Wermut
Wermut heisst auf englisch Wormwood, „Wurmholz“. Wermut kann Leber, Niere und Nerven der Ziegen schädigen, wenn regelmässig oder in zu hohen Dosen verabreicht. Es wird empfohlen alle 6-8 Wochen während 3 Tagen den pflanzlichen Entwurmer zu verfüttern. Anders als chemische Mittel müssen Entwurmungsmittel auf pflanzlicher Basis mehrmals übers Jahr verteilt verabreicht werden.

Wermut (Artemisia absinthium) links, Beifuss (Artemisia vulgaris) rechts; ähnlich aussehend, aber wirkunsglos.

Schwarznuss
Juglans nigra gehört zur Familie der Walnussgewächse, sie enthält Juglon, welches die Schwarzfärbung der absterbenden Pflanzenorgane bewirkt, es hat eine phytotoxische Wirkung auf umstehende Pflanzen und ist auch für Fische und Pilze giftig, heisst es in Wikipedia. Vermutlich gilt dies genauso für die Hülse der europäischen Walnuss.

Rainfarn
Tanacetum vulgare, Chrysanthemum vulgare, wird auch Wurmkraut genannt! Größere Mengen als 1 bis 3 Gramm Rainfarn rufen Vergiftungserscheinungen hervor. In der Tierheilkunde wird Tee daraus Kälbern und Kühen bei Durchfall verabreicht. (Wikipedia). Rainfarn enthält in großen Mengen das Nervengift Thujon. Aufgrund des schwankenden Thujon-Gehalts besteht beim Rainfarn die Gefahr starker Nebenwirkungen, so dass er heute nur noch in der Homöopathie zur Behandlung von Erschöpfung und Krämpfen eingesetzt wird. (http://www.heilpflanzenkatalog.net)

Wurmfarn
Die Arten der Gattung Dryopteris enthalten in den Wurzelstöcken als medizinisch wirksame Substanzen Phloroglucinverbindungen („Filizin“), die Darmparasiten lähmen. Die Extrakte wurden daher früher zur Behandlung von Bandwurmbefall eingesetzt. Wegen zahlreicher Vergiftungen, auch mit tödlichem Ausgang, wurde der Wurmfarn inzwischen auf die Negativliste der Phytopharmaka gesetzt. Nur beim Versagen moderner Bandwurmmittel werden diese Mittel von qualifizierten Heilpraktikern eingesetzt. (Wikipedia)

Giftig!
Vor Wurmfarn, Rainfarn und Wermut wird gewarnt. Richtig! Nur, die Dosis macht das Gift! Dass aber die chemischen Entwurmungsmittel auch giftig sind – wie sonst können sie Würmer lähmen und töten, sowie die Kompostwürmer und Rosenkäfer u.v.a. Ziegenkotverarbeiter vernichten – darüber wird nicht geschrieben.

Cristina Perincioli: Meine Ziegen bekommen Rainfarn, Eberraute, Weiden- und Eichenblätter, aber am meisten gieren sie nach den Blättern der Nussbäume rund um den Stall. Auch hiervon bekommen sie täglich eine paar Blätter, und es bekommt ihnen.
Tatsache ist doch: Wir sind es, die die Ziegen von ihren natürlichen Medizinpflanzen fernhalten mit unserer eingezäunten Weidehaltung!
Diese Ziegen stürzen sich dann auf alles, was Abwechslung verspricht von diesem Gras-Einerlei. Durch das dauernde Vorenthalten von Laub und von scharfen Kräutern kann es dann zu Vergiftungen kommen, denke ich mir.

Ziegen, die sich selbst entwurmen

Hans Ramseier: Die Ziegen gehen z.T. extrem verwurmt auf die Alp und kommen dann im Herbst völlig sauber herunter. Da fragt man sich, wie das passiert! Das versuche ich auch im Winter zu erreichen mit Tannen-, Himbeer- und Brombeerzweigen, was eben grade rumliegt. Das, was sie auch auf der Alp fressen. Farn – dass Farn nicht gesund ist für ein Tier, das weiss man – aber die Ziege nimmt ab und zu ein Maul voll davon.

Pedro Fournier: Ich nutze Phythotherapie und Homöopathie zum Entwurmen. In der Natur entwurmen sich die Ziegen selbst, indem sie Tannenrinde fressen.

Daniel Durrells Herde am Felsenbach im Elsass

Daniel Durrell: Einmal im Jahr gebe ich ein pflanzliches Entwurmungsmittel (leider weiss er nicht was drin ist) 2—3 Monate vor dem Ablammen. Täglich sind die Ziegen von 10 bis 18 Uhr auf der Weide, das fördert auch die Qualität der Käses und sie entledigen sich der Würmer, so wie das die Wildtiere auch tun, zumal diese Weiden ziemlich verbuscht sind.

Tannin

Tannin ist Gerbstoff, der in der Rinde von Weiden, Eichen, Birken und Kastanien vorkommt, sowie in Weinreben und in der Futterpflanze Esparsette (links). Für die Phythotherapie wir der Gerbstoff der Blutwurz (rechts) verwendet.

Esparsette
Inzwischen wurde in der Schweiz die Wirksamkeit von Esparsette zur Parasitenabwehr beforscht. Ein Merkblatt zu Anbauempfehlungen findet sich auf der Plattform der Schweizer Biobäuerinnen und Biobauern bioaktuell.ch Sie schreiben: „Die Esparsette Onobrychis sativa ist eine Futterpflanze und Leguminose mit guten Nährwerten und kondensierten Gerbstoffen. Diese verbessern die Verwertung der Eiweisse bei den Wiederkäuern und schwächen die Magen-Darm-Parasiten. Infektionen werden dadurch gehemmt.“ Nur die Blättern enthalten viel Tannin, deshalb Bröckelverlust vermeiden.

Untersucht wurde die Wirkung der Esparsette, sie enthält 4-10% Tannin und zeigte Wirkung gegen Magen-Darm-Strongyliden, selbst gegen Haemonchus contortus. Die Esparsette dürfte auch die Eiausscheidung reduzieren und somit zu einer Verringerung der Weidekontamination beitragen. Auch Wegwarte und Hornklee sind nützlich, dank eines wenn auch geringen Tanningehalts. (siehe Gernod Rahman 2007 / Leopold Podstatzky 2009.

Robinie
Nicht untersucht wurde Robinie, deren Rinde 3-6% Tannin enthält – in der Eichenrinde sind es bis 10%. Mit Tannin schützen sich diese Hölzer gegen Pilze und Insektenfras. Robinienlaub kann unter Stress auch giftig werden: „Es wurde gezeigt, dass Akazien außerdem über ein Kommunikationssystem verfügen, um sich untereinander vor Fraßfeinden zu warnen. Dies geschieht über die Ausbreitung von Ethylen über die Luft, was andere Akazien dazu anregt, in ihren Blättern giftige Tannine anzureichern. Entdeckt wurde dies, nachdem über 3000 eingezäunte Antilopen verendeten, die zwangsweise nur Akazien in dem eingezäunten Gebiet zum Fressen zur Verfügung hatten, und dabei nicht ihrem Instinkt folgend beim Fressen gegen die Windrichtung von Baum zu Baum wechseln konnten.“ (Wikipedia).

Parasitenabwehr stärken

Hans-Peter Dill: Das wichtigste ist nicht, die Würmer zu bekämpfen, sondern die Ziegen widerstandsfähiger zu machen. Das versuchen wir mit Rüben, rote Beete, Möhren, die aus demselben Boden kommen. Maria Thun empfiehlt rote Beete zu füttern gegen Verwurmung. Ihre Theorie dazu habe ich mir so zurechtgelegt: Ziegen sind ja eigentlich Nomaden, aber wir verhindern dieses Weiterziehen und binden sie an einen Standort. Und so steigert sich die Verwurmung erst. Diese Wurzelfrüchte schaffen eine positive Verbindung zu diesem Standort, von dem die Gefahren ausgehen: Verwurmung und Clostridien. Dank dieser Wurzelgemüse können sie eine standortgemässe Abwehr aufbauen – ja, die Theorie ist ziemlich esoterisch.

Ziegenherde wandern über Truppenübungsplatz
Eigentlich sind sie Nomaden!

Unsere Flächen sind auch zu klein, um Getreide anzubauen, aber mit Wurzelfrüchten haben wir einen relativ grossen Energieertrag, höher als bei Getreide. Leider ist der Pflegeaufwand sehr gross: Sie müssen geharkt werden und einen Vorsprung auf das Unkraut haben. Deshalb säen wir nicht, sondern pflanzen sie im Juli aus und ernten sie vor dem Frost. Sauber machen ist dann noch ein Problem.

Laub und Rinde

Wenn Ziegen gehütet werden, können Sie sich beim Wandern mit Laub versorgen.

Im Winter ist selbst vertrocknetes Eichenlaub interessant. Diese Ziegen wandern auch bei minus 20°C – hier schick geschützt mit Wolldecken.

Cristina Perincioli: Im Winter, wenn im Wald gerade gefällt wurde, kann man Kiefernreste verfüttern. Über den Förster erfährt man, wem dieses Stück Wald gehört, fragt den Besitzer, ob man die Wipfel und Zweige holen kann.

Es lohnt, nur jene Teile zu holen, deren Rinde noch grün ist. Die enthalten die relevanten Inhaltsstoffe, die gegen Innenparasiten helfen und wohl auch sonst wichtige Vitamine etc., die im Winter sonst fehlen. Die Ziegen sind auch sehr dankbar, wenn es „was zu tun gibt“.

Ziege schält Kiefernzweig

Geschickt hält sie den Ast fest, um ihn systematisch zu schälen. Am Boden liegend würden die Zweige schnell verschmutzen und verschmäht werden. Aufgehängte Äste bleiben sauber, können aber nicht entrindet werden – und auf die Rinde kommt es an!

Das aus Stamm- und Astwunden von Nadelhölzern ausfließende Sekret heißt Terpentin. Bei trockenen Zweigen ist das Terpentinöl verdunstet. Deshalb sind die Ziegen besonders an grüner Rinde interessiert, da ist es noch drin.
Im Frühjahr brennt man den Berg von geschälten Zweigen und Wipfeln ab. Jeden Herbst kappen wir ein paar Kopfweiden – ein Fest!

Als Vorrat für den Winter hat sich diese Methode als die Raum und Zeit-sparendste erwiesen: Blätter in frischen Zustand in Tüllsäcke füllen, die Säcke im Schatten aufhängen und so die Blätter trocknen.

Das rascheln dieser Weidenblätter lockt selbst kranke Ziegen, die sonst nichts mehr fressen. Stimuliert durch diesen rauhen, schmackhaften Blätter kann das Wiederkäuen erneut in Gang kommen.